Donnerstag, 30. Mai 2019

Nachwort zur Neuausgabe "Der Schneemann"

Jörg Fauser

Der Schneemann




Nachwort

geschrieben von Alexandra Boisen





1981 erstmals in Deutschland erschienen
1984 verfilmt von Peter F. Bringmann mit Marius Müller-Westernhagen
2008 von Heikko Deutschmann für das Hörbuch eingelesen.
2009 zuletzt in Deutschland erschienen, im Diogenes Verlag, Zürich
2010 als Hörspiel von Leonard Koppelmann für den SWR in 2 Teilen umgesetzt. Mit Ingo Naujoks als Blum und Udo Schenk als Erzähler.
2021 feiert der Roman seinen 40. Geburtstag







Ein Elfchen, das ich während eines der anderen Vorträge während der Litblog Con 19 zu Jörg Fauser geschrieben habe. Ein Elfchen ist ein Gedicht, das 11 Wörter umfassen sollte.


Jörg Fauser


Schneemann
Lesen jetzt!
Zuerst der Film
Danach das Buch gelesen
Authentisch




Zum Nachwort kam ich sprichwörtlich wie die Axt zum Walde. Ich sass auf der Veranstaltung „Fauser.Lesen.Jetzt“ von Martha Schoknecht, aus dem Hause Diogenes, die während der Litblog Convention 2019 in Köln stattfand. Ich war dort zum ersten Male zu Besuch. Eine Veranstaltung von Verlagen für Blogger und Autoren. Ich habe mich schon ganz früh auf den Weg gemacht, weil ich unbedingt den Vortrag zu Jörg Fauser hören wollte. Frau Schoknecht erzählte uns über die Nachworte für die Neuedition Fausers und von wem sie geschrieben werden. Z.b. Friedrich Ani zu „Das Schlangenmaul“. Ich blauäuig und naiv fragte: „Wer schreibt das Nachwort zu „Der Schneemann“? Frau Schoknecht: „Wir haben bisher niemanden.“ Und mir rutscht raus, impulsiv wie ich nun mal bin: „Dann schreibe ich es.“ und anstatt Frau Schoknecht mir so etwas wie eine Absage erteilt, antwortet sie sinngemäß: „Ok, schicken Sie es mir.“ Ich innerlich „oh shit! Ich und meine große Klappe.“ Ich darauf, ok, wieviele Seiten? „10“ sagt sie. „Oh Gott“. Später gibt sie mir ihre Visitenkarte. Und jetzt sitze ich hier und überlege, was ich über Fauser und zu seinem Roman Der Schneemann schreiben soll. Eine kleine Lesebeilage zum Vortrag „Fauser.Lesen.Jetzt.“ kann man auf der Website vom Diogenes Verlag sowie in allen Ebookshops kostenlos runterladen. Die Litblog Con 19 hatte noch viele andere großartige Veranstaltungen. Ich möchte nächstes Jahr gerne wiederkommen, da ich mich dort sehr wohl gefühlt habe.

Ich bin natürlich nicht so naiv und blauäugig, das ich glaube und fest damit rechne, das der Diogenes Verlag niemanden für ein Nachwort findet. Bzw. Hurra schreit, nehmen wir, wenn ich es schaffe, etwas einzureichen. Leider denke ich zumeist immer negativ, das ich dieses oder jenes nicht schaffe. Aber ich möchte diese Herausforderung annehmen. Denn ich habe nichts zu verlieren. Im Gegenteil. Ich kann nur gewinnen. Und sei es, die Herausforderung angenommen zu haben. Dann habe ich schon gewonnen. Alles andere wäre ein SuperBonus.


Zum ersten Male Bekanntschaft mit dem „Schneemann“ machte ich 1985 als der Film in die Bundesdeutschen Kinos kam. Verfilmt von Peter F. Bringmann und mit Marius Müller-Westernhagen in der Hauptrolle als Dorn, den meisten Kinozuschauern wohl als der „Theo gegen den Rest der Welt“ bekannt ist. In der Bravo wurde der Film damals sogar als Fotostory abgedruckt, in Fortsetzungen. Die Szene in der er mit Polly Eltes, die die Cora gespielt hat, zwischen den Gleisen lag, weil sie so ihre Handschellen los werden wollten, bleibt mir auf immer in Erinnerung. Auch ich schaute mir damals den Film an. Hörte auch seine Musik rauf und runter. 20 Jahre alt war ich damals. Machte eine Ausbildung zur Steueranwärterin. Ich bin mir sicher, das ich nicht alleine ins Kino ging. Aber wer ging mit? Das weiß ich leider nicht mehr. Den Film fand ich damals so klasse, das ich unbedingt das Buch lesen wollte. Ich war gefesselt von der Story. Vom Film. Von den Schauspielern, wie zb. Towje Kleiner und Polly Eltes. Soweit ich noch weiß, haben sie und Marius Müller-Westernhagen geheiratet. Eine Tochter. Inzwischen aber geschieden. Die Geschichte spielt in Malta, Belgien, Holland und in Deutschland. Eine Zugfahrt durch Deutschland. Der Kleine Mann, der kleine Dealer, der auf das große Geld hofft, dem aber immer hinter her läuft und es wohl niemals einholen wird, wie soviele von uns.


Ich las damals schon viel. Aber noch nichts von Jörg Fauser. Ich war auch nicht seine Zielgruppe. Ich las damals Stephen King, Romanhefte wie John Sinclair und Jerry Cotton aber ein Fauser lief mir damals nicht über den Weg. Und so machte ich mich auf dem Weg um den Roman zum Film für mich zu entdecken. Und das war damals nicht so wie heute, wo man sich an den Schreibtisch setzen kann den PC anmacht um ins Internet zu gehen oder über seinen Tolino/Kindle das Ebook da kauft, wo man gerade ist, selbst aus der Badewanne heraus. Es gab kein Internet, keine Ebook Reader. Man mußte schon in die Stadt mit Bus und Bahn fahren, um dort die nächstgelegene Buchhandlung aufzusuchen und gucken ob die Bücher, die man wollte in den Regalen stehen. Und man zahlte auch nicht mit Euros sondern mit der guten alten DM. Von Kartenzahlung hab ich nicht mal geträumt. Ich hatte Glück und zu Hause konnte ich loslegen mit meiner Neuerscheinung. Nichts war, mit im Internet gucken, wer es am günstigsten gebraucht verkauft. Neu oder gar nicht, war die Devise damals. Es gab auch kein Netflix und Amazon als Konkurrenz für das Kino. Im TV gab es drei Programme. ARD, ZDF und die Dritten. Die Privaten waren gerade erst ganz am Aufbauen.


Der Roman erschien damals im Rowohlt Verlag und ich kaufte mir das Taschenbuch. Ups. Dorn hieß ja plötzlich nicht mehr Dorn sondern Blum. Und auf die Szene auf den Gleisen habe ich auch vergeblich gewartet. Aber Cora blieb wenigstens Cora. Das war eine Sache, die ich damals noch nicht so richtig wußte. Das die Geschichten niemals 1:1 verfilmt werden. Das Filmemacher sich Freiheiten nehmen, wenn sie einen Roman verfilmen. Und vieles aus den Büchern meist fehlt.


Blum war ein Verlierer, der leben, der aber auch mal Glück haben wollte. Der auf den großen Deal gewartet hat. Auf das große Geld. Wahrscheinlich aber hätte er es in Nullkomma nichts verpraßt. Aber dann wieder von vorne angefangen anstatt zu jammern. Die Geschichte Blums ist ein Roadmovie durch die Bundesrepublik Deutschland. Heute ein Stück Zeitgeschichte. Ein Stück 80er Jahre. Und wahrscheinlich genauso aktuell wie damals. Ein Roman, ein Kriminalroman heißt es. Aber ein Krimi ohne das auf jeder Seite ein Mord passiert. Im Grunde passiert nur ein einziger Mord. Blum findet den Toten und findet einen Zettel. In eine Perücke geklebt. Ein Abholschein für ein Gepäckfach. Es begann auf Malta und mit dem Verkauf von Pornoheften. Das war Blum egal. Ob Pizza oder Pornohefte. Hauptsache es läßt sich verkaufen. Und so reist er durch Deutschland, Holland und Belgien um den Stoff, an den er per Zufall gekommen ist, möglichst auf einmal zu verkaufen. Er möchte sich am liebsten auf einer Insel wie die Bahamas niederlassen und dort eine kleine aber feine Bar zu betreiben. Im Laufe der Geschichte wird Blum immer paraonider, da er hinter jedem Menschen, den er trifft, jemanden vermutet, der ihm den Stoff abjagen oder hinter Gittern bringen will. Am Ende ist er wieder da, wo er am Anfang war. Aber wenigstens am Leben.



Den Roman habe ich seit damals öfters gelesen, das inzwischen erschiene Hörspiel mit Ingo Naujoks in der Rolle des Blum gehört und das Buch in Meine Liste der „60 gelesene Romane“ aufgenommen. Es gehört zu denen, die mich begleiten. In zwei Jahren wird es 40 Jahre her sein, das Jörg Fauser, diese Geschichte geschrieben hat. Ein tolles Jubiläum, das da auf uns wartet.


Inzwischen weiß ich, das Jörg Fauser, nicht nur diesen einen Roman geschrieben hat. Der ihn wohl zum Durchbruch als Schriftsteller verholfen hat. Sondern auch Lyrik, Gedichte, Essays, Reportagen und und und. Der zweite Roman, den ich inzwischen gelesen habe war „Das Schlangenmaul“. Der Protagonist: Heinz Harder. Für mich war es so, als wenn ich einen der amerikanischen Hardboiled-Krimis gelesen hätte. Chandler, Hammett und Co. An die wurde ich beim Lesen der Geschichte erinnert. Solche Krimis mag ich. Jörg Fauser hat nicht für andere geschrieben, sondern in erster Linie für sich. Nach dem Motto, wenn ich heute das schreibe, werde ich reich und berühmt. Er wollte sich nicht vorschreiben lassen, über was er schreiben soll. Nein, denn dann wäre er nicht er selbst geblieben. Er war der Meinung, das man seine Geschichten irgendwann schon lesen wird und er dann davon leben kann. Sogar für den Frauenfunk soll er Texte geschrieben haben. Unter Pseudonym. 


Beim Anhören des Vortrages über Jörg Fauser mußte ich irgendwie an mich denken. Auch ich versuche nur das zu schreiben, was ich möchte und vor allem wann. Auch ich versuche mich an verschiedenen Dingen. Lyrik, Gedichte, Reime, Poetry Slam, Geschichten, Blogbeiträge schreiben und jetzt sogar so etwas wie ein Nachwort. Auch wenn ich im Gegensatz zu Jörg Fauser nicht davon lebe. Aber wer weiß schon, was morgen passiert. Manchmal kann ich ganz viel in der Woche schreiben, dann ist wieder wochenlang Pause. Es kommt nichts aus mir heraus. Vor ca 2 Jahren habe ich mit dem Schreiben angefangen. Während meiner Depression an der ich seit Jahren leide. Und seit dem ist es für mich eine Art von Therapie.
Sie funktioniert bei mir im Gegensatz zu Sachen wie Malen oder Körbe flechten. Es ist eine Bauch bzw. Kopfsache. Wenn was da ist, will es auch gleich raus und geschrieben werden. Und ist nix da ist halt Pause. Ich brauche mich da auch gar nicht erst zwingen. Es würde zu nichts führen. Außer das ich mich ärgern würde, das mir nichts einfällt. Und das tue ich erst gar nicht. Es kommt wenn es kommt. Beim Schreiben versuche ich so zu sein wie ich bin. Verstellen nützt gar nix. Würde der Leser ja merken. Nein ich versuche authentisch zu bleiben. Ich schreibe meist Sachen, die mich bewegen, belasten um sie so zu verarbeiten. Wenn ich will, kann ich auch schnoddrig wie Fauser schreiben. Kein Problem. Manchmal rede und schreibe ich, wie mir der Schnabel gewachsen ist.


1984 las Jörg Fauser in Klagenfurt beim Ingeborg Bachmannpreis. Eine Unterhaltungsgeschichte. Was passierte anschließend? Die Jury unter anderem Marcel Reich-Ranicki zerriß Jörg Fauser und seine Geschichte. Er gehörte anscheinend nicht zu Ihnen. Die Geschichte passe angeblich nicht zur Veranstaltung. Sie war gute Unterhaltungsliteratur. Mehr nicht. Mag sein, das er recht hat. Aber wer hat ihn denn damals eingeladen?? Hatte er sich selber eingeladen?? Wahrscheinlich nicht. Es war also erstmal gar nicht seine Schuld sonderen derer, die ihn damals zugelassen und eingeladen haben. Meine Meinung. Ohne seine Geschichte zu bewerten. Aber dann hätten sie ihn ja gar nicht zerreissen können. Also wurde er bewußt eingeladen? Stand schon fest, was die Jury sagen wollte?? Eigentlich eine Frechheit, die damals passiert ist. Wer möchte, kann sich die Veranstaltung immer noch auf Youtube anschauen. Einmal die Lesung und zum anderen der Verriss von Marcel Reich-Ranicki.


Leider kann ich nicht über persönliche Begegnungen mit Jörg Fauser berichten. Ich habe ihn, was ich bedaure, nie getroffen, seine Bekanntschaft nicht gemacht. Aber ich glaube, wir hätten uns beide gut verstanden. Wirklich schade, das er so früh von uns gegangen ist. In seinen Werken lebt er weiter und viele uns nachfolgende Generationen können und werden ihn kennenlernen.

Würde Jörg Fauser heute leben, hätte er ein Smartphone?? Wie würde er mit den heutigen Medien umgehen, mit Facebook, Twitter und Co.?

Er würde sich vielleicht, so wie ich, als Blogger versuchen, so seine Geschichten seinen Lesern vorstellen. Er würde über das aktuelle Geschehen schreiben und anprangern, was ihm nicht gefällt. Alkohol und Drogen würde er aber auch heute reichlich zu sich nehmen.


Ich habe noch ein zweites Elfchen verfaßt, das ich Euch nicht vorenthalten möchte.


Echt
Neu Entdecken
viele schöne Geschichten
Neue Edition bei Diogenes
Schnoddrig





Alexandra Boisen
Jahrgang 1965
Buchbloggerin
in Oberhausen geboren, lebt in Hamburg


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