Mittwoch, 6. August 2025

Fragen an Else Laudan vom Argument Verlag

Anlässlich des  kommenden Besuches von Sara Paretsky in Deutschland (11.9. in Hamburg) kam ich auf die Idee ihrer deutschen Verlegerin, Else Laudan (EL) einige Fragen zu stellen.

Ich bin durch den Kinofilm mit Kathleen Turner zu den Büchern gekommen und bis heute dabei geblieben. Vor einigen Wochen besuchte ich in Hamburg den Verlag Argument mit Ariadne und erfuhr so von den Lesungen im Herbst. 












              © Miguel Ferraz

Seit wann sind Sie Verlegerin von Argument mit Ariadne?

EL: Ich wurde ab 1988 durch das Ariadne-Projekt autodidaktisch zur Lektorin und Übersetzerin aus dem Englischen. Ab 1989 hab ich die Ariadne-Redaktion übernommen. Seit 1997 bin ich in der Verlagsleitung. In fehler- und ereignisreichen Jahrzehnten hab ich gelernt, als rebellische, aber auch realitätstaugliche Büchermacherin zu agieren, weshalb das feministische Krimiprojekt Ariadne immerhin heute noch existiert, oft Lorbeeren einheimst und auch internationale Weltrang-Autorinnen einzubinden schafft.

Mit welchen Büchern fing es an? Ich kann mich an Sarah Dreher und ihre Stoner-Krimis erinnern und einige andere …

EL: Die ersten 3 Ariadne-Krimis kamen im Sommer 1988 raus – Das Geheimnis der alten Jungfer von Anthony Gilbert (Pseudonym von Lucy Beatrice Malleson), Wenn die grauen Falter fliegen von der Kanadierin Marion Foster und Untergetaucht von Joy Magezis. Die Idee der Verlegerin Frigga Haug war, das Projekt dreigleisig anzugehen – sie wollte moderne feministische Politkrimis bringen, dazu unterschätzte Klassikerinnen wieder ausgraben und als drittes, utopisches Element „gegenkulturelle“ Krimis mit lesbischen oder bisexuellen Protagonistinnen. Letzteres erwies sich als Überraschungshit. Lesbische Serienheldinnen wie Stoner McTavish von Sarah Dreher, Kate Delafield von Katherine V. Forrest und viele andere waren so gefragt, dass Ariadne eine augenzwinkernde „Quote“ einrichtete: Ab der zweiten Saison hatten die Krimis mit den „queeren“ (ungeraden) Nummern auch queere Themen oder Figuren (das galt so bis 2010).

Wann und wie war Ihre erste Begegnung mit V.I. Warshawski? Meine war der Kinofilm mit Kathleen Turner in der Hauptrolle.

EL: Ganz ehrlich – diesen Film fand ich mega enttäuschend. Ich las ab 1988 alle Warshawski-Krimis und liebte diese Heldin sehr, ihre Wehrhaftigkeit, Integrität und klare politische Courage genauso wie den wunderbaren Hardboiled-Sound und die coole Flapsigkeit. Sie ist eine meiner Ikonen! Das schwache Filmskript verhunzte den Stoff und machte aus Turner eine blonde (!), kosmetische, unpolitische „Warshawski Light“ in Highheels, eine nur bisschen vorlaute Männerfantasie. Ärgerlich!

Dass nach Hardball lange nichts mehr auf deutsch kam, fand ich sehr schade. Lag es an niedrigen Verkaufszahlen?

EL: Der wahre Grund war die Praxis großer Verlage – typischer Konzernpoker ohne Loyalitäten (ganz besonders gegenüber weiblichen Autorinnen). Bis 2001 erschien Paretsky bei Piper (seit 1995 Teil des Bonnier-Konzerns). Dann wollte Goldmann (damals Teil des gigantischen Bertelsmann-Konzerns, der heute Penguin/Random House ist) sie als „Milchkuh“ übernehmen, überbot Piper, tat aber rein gar nichts fürs Marketing und war enttäuscht vom Verkauf. Dann wollte DuMont ins Krimigenre vorstoßen, überbot Goldmann, erwischte mit Hardball ausgerechnet den Band um Baseball (in den USA sehr populär, hier absolut nicht), tat ebenfalls wenig fürs Marketing und war enttäuscht vom Verkauf. Ergebnis: Paretsky wurde fallengelassen und verschwand.

Wann kam Ihnen die Idee, sich die Lizenz für Deutschland zu sichern?

EL: Wie wohl die meisten hiesigen Fans dachte ich, sie schreibt nicht mehr, bis ich zufällig 2017 eine Kritik im englischen Morning Star las. Da erst hab ich aufgehorcht, online recherchiert und gemerkt, dass sie die ganze Zeit weitergeschrieben hat, nur nichts mehr hier ankam. Ich hab sie über ihre Internetseite direkt angemailt, erklärt, dass wir kein Geld, aber viel Wertschätzung und Übersetzungskompetenz haben – und bekam prompt Antwort, dass es sie seit Jahren schmerzt, nicht mehr auf Deutsch zu erscheinen, und sie gern bei Ariadne ein neues Zuhause findet – geholfen hat vermutlich auch, dass ich ihre Freundin Liza Cody sehr gut verlege. Ein Verlag mit Commitment war Sara Paretsky wichtiger als Vorauszahlungen. Mein Glück.

Im September kommt Sara Paretsky nach Deutschland. Mir sind keine früheren Besuche bekannt. Was möglicherweise daran liegt, dass ich früher im Vergleich zu heute nur selten zu Lesungen gegangen bin. War sie zuvor bereits in Deutschland?

EL: Ja, sie hat sogar einige Lesetouren hier gemacht. Und sie schrieb mir jetzt vor Kurzem: »Ich freue mich wirklich so sehr darauf, wieder mit deutschen Leserinnen Verbindung aufzunehmen. Früher, als ich häufig in Deutschland auf Lesereise war, empfand ich die Leserinnen dort als meinen Büchern besonders verbunden, auf eine Art, die ich nirgends sonst erlebt habe.«

3 Romane mit Vic fehlen auf deutsch. Dürfen wir LeserInnen darauf hoffen, dass als nächstes einer bei Ihnen erscheint?

Wenn meine Zeit und meine Kraft reichen, irgendwann schon. Ich muss ja das Übersetzen neben allem anderen schaffen, was ich als Kleinverlegerin zu tun habe, und da der Verlag prekär ist, sind meine Kapazitäten ständig überlastet. Hinzu kommt: Wann immer Sara Paretsky was Neues schreibt, bekommt das Vorrang. Und sie schreibt fast gleich schnell, wie ich übersetze. Deshalb kann ich zum Timing der nachzuholenden Romane nichts Konkretes sagen, außer dass ich prinzipiell guten Willens bin.

Vielen Dank, Frau Else Laudan. Ich freue mich auf die Lesung mit Sara Paretsky und Ihnen.



Sara Paretsky bei Argument/Ariadne:

Kritische Masse  2018

Altlasten 2020

Schiebung 2022

Landnahme 2021

Entsorgt 2024

Wunder Punkt 2025

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