Anlässlich des kommenden Besuches von Sara Paretsky in Deutschland (11.9. in Hamburg) kam ich auf die Idee ihrer deutschen Verlegerin, Else Laudan (EL) einige Fragen zu stellen.
Ich bin durch den Kinofilm mit Kathleen Turner zu den Büchern gekommen und bis heute dabei geblieben. Vor einigen Wochen besuchte ich in Hamburg den Verlag Argument mit Ariadne und erfuhr so von den Lesungen im Herbst.
© Miguel Ferraz
Seit wann sind Sie Verlegerin von
Argument mit Ariadne?
EL: Ich wurde ab 1988 durch das Ariadne-Projekt autodidaktisch zur
Lektorin und Übersetzerin aus dem Englischen. Ab 1989 hab ich die
Ariadne-Redaktion übernommen. Seit 1997 bin ich in der
Verlagsleitung. In fehler- und ereignisreichen Jahrzehnten hab ich
gelernt, als rebellische, aber auch realitätstaugliche
Büchermacherin zu agieren, weshalb das feministische Krimiprojekt
Ariadne immerhin heute noch existiert, oft Lorbeeren einheimst und
auch internationale Weltrang-Autorinnen einzubinden schafft.
Mit welchen Büchern fing es an?
Ich kann mich an Sarah Dreher und ihre Stoner-Krimis erinnern und
einige andere …
EL: Die ersten 3 Ariadne-Krimis kamen
im Sommer 1988 raus – Das Geheimnis der alten Jungfer von
Anthony Gilbert (Pseudonym von Lucy Beatrice Malleson), Wenn die
grauen Falter fliegen von der Kanadierin Marion Foster und
Untergetaucht von Joy Magezis. Die Idee der Verlegerin Frigga
Haug war, das Projekt dreigleisig anzugehen – sie wollte moderne
feministische Politkrimis bringen, dazu unterschätzte Klassikerinnen
wieder ausgraben und als drittes, utopisches Element
„gegenkulturelle“ Krimis mit lesbischen oder bisexuellen
Protagonistinnen. Letzteres erwies sich als Überraschungshit.
Lesbische Serienheldinnen wie Stoner McTavish von Sarah Dreher, Kate
Delafield von Katherine V. Forrest und viele andere waren so gefragt,
dass Ariadne eine augenzwinkernde „Quote“ einrichtete: Ab der
zweiten Saison hatten die Krimis mit den „queeren“ (ungeraden)
Nummern auch queere Themen oder Figuren (das galt so bis 2010).
Wann und wie war Ihre erste
Begegnung mit V.I. Warshawski? Meine war der Kinofilm mit Kathleen
Turner in der Hauptrolle.
EL: Ganz ehrlich – diesen Film fand
ich mega enttäuschend. Ich las ab 1988 alle Warshawski-Krimis und
liebte diese Heldin sehr, ihre Wehrhaftigkeit, Integrität und klare
politische Courage genauso wie den wunderbaren Hardboiled-Sound und
die coole Flapsigkeit. Sie ist eine meiner Ikonen! Das schwache
Filmskript verhunzte den Stoff und machte aus Turner eine blonde (!),
kosmetische, unpolitische „Warshawski Light“ in Highheels, eine
nur bisschen vorlaute Männerfantasie. Ärgerlich!
Dass nach Hardball
lange nichts mehr auf deutsch kam, fand ich sehr schade. Lag es an
niedrigen Verkaufszahlen?
EL: Der wahre Grund war die Praxis
großer Verlage – typischer Konzernpoker ohne Loyalitäten (ganz
besonders gegenüber weiblichen Autorinnen). Bis 2001 erschien
Paretsky bei Piper (seit 1995 Teil des Bonnier-Konzerns). Dann wollte
Goldmann (damals Teil des gigantischen Bertelsmann-Konzerns, der
heute Penguin/Random House ist) sie als „Milchkuh“ übernehmen,
überbot Piper, tat aber rein gar nichts fürs Marketing und war
enttäuscht vom Verkauf. Dann wollte DuMont ins Krimigenre vorstoßen,
überbot Goldmann, erwischte mit Hardball ausgerechnet den
Band um Baseball (in den USA sehr populär, hier absolut nicht), tat
ebenfalls wenig fürs Marketing und war enttäuscht vom Verkauf.
Ergebnis: Paretsky wurde fallengelassen und verschwand.
Wann kam Ihnen die Idee, sich die
Lizenz für Deutschland zu sichern?
EL: Wie wohl die meisten hiesigen Fans
dachte ich, sie schreibt nicht mehr, bis ich zufällig 2017 eine
Kritik im englischen Morning Star las. Da erst hab ich
aufgehorcht, online recherchiert und gemerkt, dass sie die ganze Zeit
weitergeschrieben hat, nur nichts mehr hier ankam. Ich hab sie über
ihre Internetseite direkt angemailt, erklärt, dass wir kein Geld,
aber viel Wertschätzung und Übersetzungskompetenz haben – und
bekam prompt Antwort, dass es sie seit Jahren schmerzt, nicht mehr
auf Deutsch zu erscheinen, und sie gern bei Ariadne ein neues Zuhause
findet – geholfen hat vermutlich auch, dass ich ihre Freundin Liza
Cody sehr gut verlege. Ein Verlag mit Commitment war Sara Paretsky
wichtiger als Vorauszahlungen. Mein Glück.
Im September kommt Sara Paretsky
nach Deutschland. Mir sind keine früheren Besuche bekannt. Was
möglicherweise daran liegt, dass ich früher im Vergleich zu heute
nur selten zu Lesungen gegangen bin. War sie zuvor bereits in
Deutschland?
EL: Ja, sie hat sogar einige Lesetouren
hier gemacht. Und sie schrieb mir jetzt vor Kurzem: »Ich freue mich
wirklich so sehr darauf, wieder mit deutschen Leserinnen Verbindung
aufzunehmen. Früher, als ich häufig in Deutschland auf Lesereise
war, empfand ich die Leserinnen dort als meinen Büchern besonders
verbunden, auf eine Art, die ich nirgends sonst erlebt habe.«
3 Romane mit Vic fehlen auf
deutsch. Dürfen wir LeserInnen darauf hoffen, dass als nächstes
einer bei Ihnen erscheint?
Wenn meine Zeit und meine Kraft
reichen, irgendwann schon. Ich muss ja das Übersetzen neben allem
anderen schaffen, was ich als Kleinverlegerin zu tun habe, und da der
Verlag prekär ist, sind meine Kapazitäten ständig überlastet.
Hinzu kommt: Wann immer Sara Paretsky was Neues schreibt, bekommt das
Vorrang. Und sie schreibt fast gleich schnell, wie ich übersetze.
Deshalb kann ich zum Timing der nachzuholenden Romane nichts
Konkretes sagen, außer dass ich prinzipiell guten Willens bin.
Vielen Dank, Frau Else Laudan, das sie sich Zeit für mich genommen haben. Ich freue mich auf die Lesung mit Sara Paretsky und Ihnen.
Sara Paretsky bei Argument/Ariadne:Kritische Masse 2018
Altlasten 2020
Schiebung 2022
Landnahme 2021
Entsorgt 2024
Wunder Punkt 2025
Lesetermine in Deutschland:
10. September Hamburg: Herbstlese Blankenese!
11. September Hamburg, Buchladen Osterstraße
12. September Kassel-Wilhelmshöhe
13. September Berlin, silent green
16. September München